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Buchtipp: „Die weißen Elefanten“ von Irena Dousková

Wer die Region um das westböhmische Beroun kennt und die bleiernen Jahre der sogenannten „Normalisierung“ in der Tschechoslowakei nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 noch nicht vergessen hat oder mehr darüber erfahren will, dem legen wir die Neuerscheinung dieses Herbstes aus dem BALAENA Verlag ans Herz.

Die tschechische Schriftstellerin Irena Dousková hat ein literarisches Kammerspiel verfasst, das auf dem Lande spielt, in einer einzigen Woche am Ende der großen Ferien. Es passiert nichts Weltbewegendes und doch werden alle Themen des Menschseins berührt, zeigen die miteinander verwobenen Schicksale der Protagonisten ein detailliertes Bild dieser Zeit.

Übersetzt und mit einem Vorwort versehen wurde das Werk, wie übrigens auch das 2008 auf Deutsch erschienene „Der tapfere Bella Tschau“, von Mirko Kraetsch.

Durch die kongenialen Illustrationen der bekannten Zeichnerin Lucie Lomová erhält dieses Buch eine zusätzliche künstlerische Dimension.

In jeder Lieblings-Buchhandlung oder im BALAENA onlineshop zu bestellen.

Tschechisch-deutsche Kulturtage in der Euregio Elbe/Labe

Noch bis zum 18.10.2020 – trotz der zahlreichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie auf beiden Seiten der Grenze ist es gelungen, ein fulminantes Programm zusammenzustellen und auch größtenteils durchzuführen. Wer nicht dabei sein kann oder konnte: viele Bilder und Informationen im Netz geben einen umfassenden Überblick über die ungeheure Vielfalt an grenzüberschreitenden Kulturangeboten. Siehe https://www.tdkt.info/

Uns hat besonders die tschechische Ausstellung „Wir sind hier nicht allein – Geschichte unserer Minderheiten“ beeindruckt, die nach Station auf dem Postplatz in Dresden auch noch an einigen weiteren Orten zu sehen sein wird. Die Lebensgeschichten von Menschen mit deutschen, russischen, ungarischen, vietnamesischen und auch griechischen Wurzeln sind fesselnd präsentiert, hinter jeder „Wohnungstür“ der Freiluftausstellung begegnet man einer anderen Persönlichkeit, die ihre Geschichte erzählt. Ergänzt wird das Ganze noch durch ausführliche Info-Tafeln zu jeder Biographie.

Verantwortlich für die Ausstellung zeichnet übrigens die Organisation https://www.pametnaroda.cz

Schauplatz Prag: „Aprilregen“ von Annelies Schwarz

Jakub, ein Roma-Junge aus der Slowakei ist der Held des Jugendromans der renommierten Kinderbuchautorin und Pädagogin Annelies Schwarz, der letztes Jahr im österreichischen Obelisk-Verlag erschienen ist. Das Buch war gerade auf der Auswahlliste zum Glauser Preis 2020 in der Sparte Kinderkrimi.

Der 11jährige Jakub lebt mit seiner Großmutter in einem slowakischen Dorf. Die Ereignisse überschlagen sich, als die Großmutter ins Krankenhaus muss und der Junge einen Aushilfsjob bei einem entfernten Verwandten annimmt. Doch anstelle in einer Gärtnerei landet er im fernen Prag und soll als Mitglied einer Bande von jugendlichen Taschendieben die reichen Touristen ausnehmen. Wie kann Jakub dieser furchtbaren Situation entkommen und wie findet er wieder nach Hause zurück? Das geht natürlich nur mit Hilfe von Menschen, die sich nicht von ihren Vorurteilen leiten lassen und die den Mut haben, auch ungewöhnliche Wege zu gehen.

Dass die Schriftstellerin ihre Geschichte gründlich recherchiert hat und sich in die Psyche der kindlichen Protagonisten hineinversetzen kann, sind die zentralen Stärken dieses Buches. Die Autorin zeichnet ein Bild der tschechischen Realität abseits der touristischen Hochglanzprospekte, eines, das für deutsche Leser vielleicht eher fremd erscheinen mag. Und doch ist es eine Geschichte, die so passiert sein könnte. Es schadet gewiss nicht, wenn Kinder und Jugendliche (empfohlen ist das Buch ab 10 Jahren) auch einmal völlig andere Lebenswelten kennenlernen, die zumindest aber geographisch gar nicht so weit entfernt von der eigenen liegen. Die spannende Geschichte eignet sich zum Selberlesen oder auch zum Vorlesen und miteinander ins Gespräch kommen.

Ein Prosit auf das Václav-Havel-Bänkchen!

Ehemaligen Staatspräsidenten wurden bestimmt schon viele Denkmäler gesetzt,  aber wohl kaum auf eine so sympathische Weise wie dies an vielen Orten in Tschechien (und nicht nur dort) für Václav Havel geschieht, der heute, am 05. Oktober 2019 83 Jahre alt geworden wäre.

Lavička Václava Havla v Liberci

Die „Václav-Havel-Bank“ (Lavička Václava Havla) erinnert an die Symbolfigur der Samtenen Revolution 1989, zwar ist sie eigentlich keine Bank, sondern zwei massive Stühle, die an einem runden Tischchen stehen und zu einem Gespräch einladen. In der Mitte dieses Arrangements ist stets ein Baum, der angenehmen Schatten spendet. Dieses „Denkmal“ findet sich unter anderem in Prag, in Pilsen, seit heute auch in Brünn. Doch am besten hat mir das Havel-Bänkchen diesen Sommer in Liberec gefallen. Den beiden Handwerkern, die bei über 30 Grad im Schatten gerade ihre wohlverdiente Mittagspause einlegten, war gar nicht bewusst, WO sie es sich da gerade gemütlich gemacht hatten. Nach einem lustigen kleinen Wortgeplänkel waren wir uns alle einig, dass diese praktische Nutzung Havels Zustimmung bestimmt gefunden hätte…

„Mein Weg zu unseren Deutschen“ – noch ein Buchtipp

Zehn tschechische Perspektiven versammelt das kleine Büchlein, das von Wolfgang Schwarz, dem Kulturreferenten für die Böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, herausgegeben wurde. Mit „unsere Deutschen“ sind aus tschechischer Sicht die Sudetendeutschen gemeint, die auch heute noch und vielleicht wieder eine wichtige Rolle im Selbstverständnis Tschechiens in Europa spielen. Tschechinnen und Tschechen verschiedener Generationen, ob in der Literatur, der Politik oder Geschichtsforschung zu Hause, beschreiben ihre ganz persönliche Sichtweise auf das deutsch-tschechische Verhältnis. Das lesenswerte Werk ist vor Kurzem in der edition lichtung erschienen und wird auch bei der „Viechtacher Literaturrevue“ am 25. Oktober 2019 präsentiert.

„Tschechien“ – ein Buchtipp

In der ersten Auflage 2006 noch als „Nachbarschaftskunde für Deutsche“ untertitelt (was mir tatsächlich besser gefällt), hat das Buch des Journalisten Hans-Jörg Schmidt inzwischen die vierte Auflage erreicht und wurde natürlich auch aktualisiert. Wir durften den Autor, der seit 30 Jahren in Tschechien lebt und von dort aus berichtet, nun persönlich erleben. So kurzweilig und zugleich kenntnisreich kann aus deutscher Perspektive wohl kaum jemand über Land und Leute  schreiben. Wer sich auch für die Hintergründe im Nachbarland interessiert, kommt an diesem Titel nicht vorbei. Da es, wie viele gute Bücher, nur selten in Buchhandlungen herumsteht, am besten beim Ch. Links Verlag bestellen…

„Begegnungen – setkáni“ in Viechtach

Wer derzeit durch die zauberhafte Bayerwaldstadt Viechtach schlendert, kann noch bis zum 6. Oktober eine Art deutsch-tschechische Freiluftgalerie genießen. In der ganzen Innenstadt finden sich großformatige Fotografien aus dem grenzüberschreitenden Projekt

Setkání – Begegnungen

Es gibt einen Info-Flyer zur Ausstellung sowie einen tollen Bildband „Einen Moment bitte! Oder zwei?  mit Texten und Fotografien von Johannes M. Haslinger, Herbert Pöhnl und Bernhard Setzwein im Pustet Verlag.

Wohin verschwinden die Grenzen? Der Untertitel des Bildbandes kann auch als Motto der Ausstellung gelten. Nach dem höchst amüsanten und erhellenden Rundgang ist jedenfalls klar: Viechtach ist schon lange im Herzen Europas angekommen. Zonenrandgebiet war im letzten Jahrtausend.

Ein Blick nach Mitteleuropa

Die Leipziger Buchmesse ist schon ein paar Wochen vorbei, die Wahlen zum Europaparlament waren vor ein paar Tagen. Da lohnt doch ein Blick zurück auf einen äußerst lesenswerten Artikel von Gregor Dotzauer in „Der Tagesspiegel“ mit dem bezeichnenden Titel „Wo bitte geht’s nach Mitteleuropa?“

Er beschreibt darin die politische Entwicklung Tschechiens seit der Samtenen Revolution und die Rolle der Literatur im Nachbarland.  Hier kommt auch die BALAENA-Autorin Dora Kaprálová („Berliner Notizbuch“) zu Wort, die „verlorene Tochter einer verlorenen Monarchie“…   Nun hoffen wir mal, dass nach den Europawahlen noch nichts verloren ist, sondern im Gegenteil, wir uns endlich mehr füreinander zu interessieren beginnen!

AHOJ! Man lernt nie aus…

Nun liegt die Buchmesse mit dem fulminanten Gastlandauftritt Tschechiens hinter uns und es ist Zeit, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und neu zum Ausdruck zu bringen. Danke an Martin Krafl, den unermüdlichen Moderator des Programms am Tschechischen Stand, der jede Veranstaltung mit einem fröhlichen AHOJ LEIPZIG! begann.

AHOJ Leipzig! (v.l.n.r.: Viktorie Knotková, Martin Reiner, Dora Kaprálová, Martin Krafl)

Ahoj überall!

Nun weiß auch die (vermeintliche) Tschechienkennerin endlich, was AHOJ bedeutet! (Zu meiner Entlastung: auch manch „waschechte“ Tschechin wurde von der Erkenntnis überrascht.) Der lässige Gruß im Tschechischen sei ursprünglich die Abkürzung von Ad HOnorem Jesu! 

Das ist umso interessanter, als uns ja die tschechischen Nachbarn als die Nation in Europa bekannt sind, die den niedrigsten Anteil an bekennenden Gläubigen verzeichnen. Wer ein bisschen nachforscht, findet in der tschechischen Geschichte gleich noch ein paar weitere Bedeutungen dieses Akronyms. So konnte Ahoj unter anderem zur Zeit der Nazi-Besetzung auch als Klar, wir hängen Adolf Hitler (Adolfa Hitlera oběsíme jistě) verstanden werden. Unglaublich, was hinter vier Buchstaben so alles verborgen sein kann. Bei Wikipedia findet sich ein umfangreicher Artikel hierzu.